Russland und die Sehnsucht nach der Sowjetzeit

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Dieser Artikel untersucht, warum die sowjetische Vergangenheit in Russland so stark verherrlicht wird. Der Autor beschreibt die omnipräsente Nostalgie für das sowjetische Erbe, die von der Regierung instrumentalisiert wird, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Wenn Sie durch eine beliebige russische Stadt spazieren, sei es Moskau, Sankt Petersburg oder Kasan, begegnen Ihnen Menschen in dunkelblauen oder roten Sweatshirts, auf denen das unverkennbare sowjetische Emblem prangt – Hammer, Sichel und Stern. Auch die traditionellen Pelzmützen, oft mit einem roten Stern darauf, werden häufig getragen, obwohl die letzten Winter die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren.

Betritt man einen Souvenirladen, findet man Tassen mit Porträts von Lenin, Stalin oder anderen Größen sowjetischen Stolzes, wie dem Kosmonauten Juri Gagarin. Sogar der Liedermacher Wladimir Wyssozki mit seiner Reibeisenstimme, dessen bissige Texte in den 1960er- und 1970er-Jahren von den sowjetischen Behörden zensiert wurden, taucht auf dieser Tour immer wieder auf. Das ist passend: Die Verherrlichung einer idealisierten Version der Vergangenheit legitimiert eine repressive Gegenwart und Zukunft. Ein Zeitungsverkäufer im Zentrum Moskaus erzählte mir kürzlich, dass viele Menschen in Russland den Zweiten Weltkrieg als eine Zeit in Erinnerung haben, in der die Russen großen Mut bewiesen. Die unmittelbare Nachkriegszeit betrachten sie als eine Phase relativer Ruhe und erinnern sich an die 1970er-Jahre als ein Zeitalter der Stabilität. Diese „Erinnerungen“, so sein Fazit, schüren die Sehnsucht nach einem starken „sowjetischen“ Führer.>>>Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“ Der Mann war sich durchaus bewusst, dass die herrschenden Narrative fehlerhaft sind. Er erinnerte sich: „Ich war ein Junge, als meine Familie von einer Gemeinschaftswohnung – mit 25 Personen in fünf Zimmern – in eine eigene Wohnung zog.“ Diese Veränderung – ermöglicht durch Nikita Chruschtschow (meinen Urgroßvater, obwohl der Verkäufer bei unserem Gespräch nichts von dieser Verbindung wusste) – versetzte seine Familie endlich in die Lage, als „unabhängige Menschen“ zu leben, statt als „Ameisen in einem großartigen stalinistischen Sowjetkollektiv“.Ein Lob für Chruschtschow, der Stalin einst hart kritisierte, ist in Russland heute allerdings unüblich – ebenso wie für Michail Gorbatschow und Boris Jelzin. Der Verkäufer hatte seinen Kiosk mit Porträts des Dreamteams – Lenin, Stalin, Gagarin, Wyssozki – sowie des starken Mannes für ein Russland im Sowjetstil, Wladimir Putin, geschmückt. Auf meine Frage, warum er das macht, antwortete er: „Für die Leute.“ Der Mann, ein Elektriker im Ruhestand, hat in seinem Zeitungskiosk viel Zeit, um sich Filme anzusehen. Er verblüffte mich mit seinem Wissen über den internationalen Film und lieferte eine Reihe von Definitionen für Nostalgie: In Paolo Sorrentinos „La Grande Bellezza“ ist sie denjenigen ein Trost, die nicht an die Zukunft glauben. In der US-Serie „Mad Men“ steht sie für den schmerzgetriebenen Wunsch, zu den eigenen Ursprüngen zurückzukehren. Beide Interpretationen lassen sich auf das heutige Russland anwenden. Im Gegensatz dazu „blähen russische Filme der letzten Zeit die Nostalgie auf wie Hefe den Kuchenteig“, fuhr der Verkäufer fort. Er bezog sich dabei auf die vielen Remakes von Märchen und Sowjetklassikern wie „Der letzte Krieger“, „Das verzauberte Feuerzeug und Tscheburaschka“ (eine sowjetische Version von Micky Maus), sowie auf neue Filme, die auf bekannten russischen Folklorefiguren und historischen Helden basieren. Auch siegestrunkene Filme und Serien über den Zweiten Weltkrieg sind auf dem Vormarsch, in Filmen wie „Mission: Sky, Mondschein, Verwunschen und Blindage“. Das ist beabsichtigt: Putin betrachtet Nostalgie als wirksames Mittel zur Beschwichtigung – und Unterdrückung – der Öffentlichkeit. Als er im Jahr 2000 erstmals Präsident wurde, hatten die Russen den Zusammenbruch eines Imperiums, den dramatischen Niedergang des internationalen Ranges ihres Landes und eine aggressive „Schocktherapie“ erlebt, die einer zügellosen Form des Kapitalismus den Weg ebnete. Viele Menschen vermissten die Einfachheit des Lebens und sehnten sich danach, wieder stolz, sicher und respektiert dazustehen. Putin erkannte diese Sehnsucht und belebte die von Stalin 1943 persönlich abgesegnete sowjetische Hymne neu. Zudem machte er die Flagge der Roten Armee wieder zum offiziellen Banner des Militärs. Darüber hinaus entdeckte er Wyssozki für sich, der zwar ein Rebell gewesen sein mag, aber immerhin auch ein Patriot. Die sepiafarbenen Darstellungen der Sowjetzeit durch den Kreml verbreiteten sich. Heute sieht man berühmte Künstler, die in Fernsehsendungen sowjetische Lieder singen. Es gibt Fernsehsender, die sich der Ausstrahlung sowjetischer Filme verschrieben haben, und Werbespots, in denen sowjetisches Heldentum gepriesen und westliche Einflüsse abgekanzelt werden. In einem kürzlich ausgestrahlten Werbespot zeigt ein älterer Mann seinem Enkel klassische sowjetische Filmfiguren als Ersatz für Avengers oder Aquaman – Lizenzprodukte, zu denen Russland nach seiner groß angelegten Invasion der Ukraine im Jahr 2022 keinen Zugang mehr hat

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