Kurz vor dem Urteil will der angeklagte „Reichsbürger“ im Saal Qigong-Übungen zeigen. Über sein Opfer verliert er kein Wort. Für die Bundesanwaltschaft ist das Urteil „wegweisend“ im Umgang mit der Szene.
Stuttgart - Nach einer Auto-Attacke auf einen Polizisten muss ein „Reichsbürger“ wegen versuchten Mordes ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte den 62-Jährigen am Freitag zu zehn Jahren Haft. Außerdem muss der Mann dem Polizisten, den er damals schwer verletzt hatte, ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro bezahlen und nach der Haftentlassung für fünf Jahre seinen Führerschein abgeben.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Täter auch aus seiner Ideologie heraus, nach der das Gesetz für ihn nicht gelte, gehandelt hatte. Das Urteil fällt nur zwei Tage nach einer Razzia in der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, bei der ein Polizist angeschossen wurde. „Wenn man seine eigene Fantasierechtsordnung über das Leben anderer Menschen stellt, dann ist das ein niederer Beweggrund“, sagte Richter Roderich Martis in seiner Urteilsbegründung. Der Deutsche war im Februar 2022 zunächst vor mehreren Verkehrskontrollen geflohen und steuerte dann auf den Polizisten zu. Er erfasste diesen mit seinem Wagen, fuhr mehrere Meter mit seinem auf der Motorhaube liegenden Opfer weiter, schleuderte den Mann mit einer Lenkbewegung zu Boden und fuhr davon.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl schilderte später, in dem Gebäudekomplex in Reutlingen sei ein erschreckendes und perverses Waffenarsenal gefunden worden. Strobl berichtete von 3800 Menschen, die in Baden-Württemberg der „Reichsbürger“-Szene zugerechnet würden. Diese sei sehr heterogen und zeichne sich durch eine hohe Waffenaffinität aus. Das Urteil sei „richtig und wichtig und ein klares Zeichen für unsere Demokratie“, teilte Strobl mit.
Der 62-Jährige schilderte noch kurz vor dem Urteil seine Sicht der Dinge, er könne sich an die Geschehnisse in der Nacht nicht erinnern. Nur an die Schüsse der Polizisten auf seinen Wagen habe er „blitzartige“ Erinnerungen, er sei panisch gewesen. Waffen habe er nie gehabt und sei niemals gewalttätig gegen Menschen geworden. Zwei Armbrüste, die bei ihm gefunden wurden, habe er zum Bogenschießen nutzen wollen für eine „mentale Erweiterung“.
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