Historiker Stefan Wolle über die Bedeutung des 17. Juni 1953 für Ost und West, bewaffnete LPG-Vorsitzende und die aktuelle DDR-Verklärung.
wochentaz: Herr Wolle, in der kollektiven Erinnerung an den Aufstand vom 17. Juni 1953 sind vor allem die Bilder in der Ostberliner Stalinallee präsent: die Panzer, die gegen die Demonstrierenden vorrücken, und die Menschen, die die Panzer mit Steinen bewerfen. Aufstände gab es damals aber überall in der DDR.
Das wollten die meisten Bauern nicht, also wurden sie dazu gezwungen. Gleichzeitig wurde das Ablieferungssoll, also das, was die Bauern an Milch, Fleisch, Obst und Gemüse an den Staat zu liefern hatten, so hoch geschraubt, dass das niemand erfüllen konnte. Diese Aktionen waren ganz klar ein Feldzug gegen den Mittelstand.Die Arbeiterklasse war ja schon laut Selbstverständnis die herrschende Klasse, allein deshalb konnte man die nicht so hart angehen.
Stimmt es, dass neben den bewaffneten Organen auch jeder LPG-Vorsitzende und nahezu jeder Kreisparteichef eine Waffe besaß? Darüber gibt es keine Zahlen. Ich gehe davon aus, dass im Westen blieb, wer erst einmal dort war. Den Ausgereisten haftete zudem der Makel der „Republikflucht“ an, und die war eine Straftat. Die Folgen hatten damals vor allem Angehörige zu tragen, manche konnten kein Abitur machen, andere nicht studieren. Und sie sagten: Wir werden dafür bestraft, dass wir hier geblieben sind. Die Mehrheit der Bevölkerung war gegen die DDR und den SED-Staat.
Für Roland Jahn, Dissident und der letzte Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, ist der 17. Juni wichtiger als der 3. Oktober, der heutige Einheitstag. Nachvollziehbar? Die Bücher sind unabhängig voneinander entstanden, werden aber meist in einem Atemzug genannt. Zum Teil findet eine Verklärung der DDR statt, die sämtliche wissenschaftlichen Forschungsergebnisse negiert. Dirk Oschmann würdigt das, was Ost und West nach dem Mauerfall gemeinsam erreicht haben, herab und stellt Dinge, die tatsächlich zu kritisieren sind, drastisch heraus.
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