Im Alltag der russischen Hauptstadt ist der Horror des Krieges für gewöhnlich unsichtbar. Wer damit nicht konfrontiert werden will, kann die Gewalt im Nachbarland problemlos ausblenden. Es gibt aber Ausnahmen.
Es dämmert bereits, da flackert im Zentrum von Moskau eine Grabkerze vor sich hin. Jemand hat sie vor dem Denkmal für Lesja Ukrajinka entzündet. Die Bronzestatue zu Ehren der ukrainischen Dichterin ist zur spontanen Gedenkstätte geworden: Blumen, Plüschbären und Kinderspielzeug säumen den Granitsockel des Denkmals."Dnepr" hat jemand auf einen Zettel geschrieben, und das Datum des verheerenden Raketenangriffs auf die ukrainische Großstadt – 14.
Im Alltag der russischen Hauptstadt ist der Horror des Krieges für gewöhnlich unsichtbar. Wer damit nicht konfrontiert werden will, kann die Gewalt im Nachbarland problemlos ausblenden. Der Alltag nimmt seinen Lauf. Die Rosen, das Foto, die Plüschtiere – sie sind ein seltener, öffentlicher Ausdruck des Mitgefühls. Zwei junge Männer legen Rosen nieder. Nach ein paar Minuten des Innehaltens kommen wir ins Gespräch.
"Es ist heute unglaublich schwer, Anteilnahme für die Ukraine auszudrücken, weil man dafür behördlich verfolgt werden kann", sagt der Ältere, er will anonym bleiben, hat selbst Verwandte in der Ukraine."Was derzeit passiert, ist eine Tragödie für uns alle. Ich weiß nicht, wie ich mit diesem Gefühl der Schuld weiterleben soll. Es ist, als ob dich jede Rakete, die Russland abschießt, in den eigenen Rücken trifft.
Die Bronzestatue zu Ehren der ukrainischen Dichterin Lesja Ukrajinka ist zur spontanen Gedenkstätte gewordenWarum ein großer Teil der Russen passiv bleibt, können sich auch die zwei Freunde nicht ganz erklären. Die ältere Generation glaube die Propaganda im Fernsehen. Unzufriedene seien längst vom Repressionsapparat eingeschüchtert.
Noch am selben Abend werden vier Menschen grundlos von der Polizei festgenommen, als sie vor dem Denkmal innehalten. Später entfernen Gemeindearbeiter die Blumen.
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