Nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP hat FPÖ-Chef Herbert Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen will nun die weiteren Möglichkeiten zur Regierungsbildung evaluieren und mit den Parteichefs Gespräche führen. Die Optionen reichen von Neuwahlen über eine Minderheitsregierung bis hin zu einer Expertenregierung.
136 Tage nach der Nationalratswahl steht die Regierungsbildung wieder vor einem Neubeginn. Nachdem die Freiheitlichen und die ÖVP sich unter anderem wegen der Besetzung des Innenressorts nicht einigen konnten, legte FPÖ -Parteichef Herbert Kickl am Mittwoch in der Hofburg den Auftrag zur Regierungsbildung zurück. Bereits Anfang Januar waren die Verhandlungen zwischen ÖVP , SPÖ und NEOS gescheitert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen will nun die weiteren Möglichkeiten ausloten.
In den kommenden Tagen wird er mit Politikerinnen und Politikern, also wohl den Parteichefs, Gespräche führen, wie eine künftige Regierung aussehen soll, sagte Van der Bellen am Mittwoch Abend in einem Statement in der Hofburg. Präferenzen für eine der vier Optionen - er nannte Neuwahlen, eine Minderheitsregierung unter Duldung des Parlaments, eine Expertenregierung oder doch noch eine Koalition mehrerer Parteien - zeigte er nicht. „Wie diese Regierung zusammengesetzt ist, hat für mich grundsätzlich keine Rolle zu spielen“, betonte der Bundespräsident, der in seiner Rede ein Plädoyer für die Suche nach Kompromissen hielt. Einen Vorschlag von FP-Chef Kickl hat Van der Bellen bereits bekommen. Wie dieser in einer Pressekonferenz zur besten Fernsehzeit Mittwoch Abend kundtat, habe er dem Staatsoberhaupt empfohlen, rasch Neuwahlen einzuleiten. Er sei der Überzeugung, dass es so rasch wie möglich klare Verhältnisse brauche statt eines Patts. „Heut ist nicht alle Tage, ich komme wieder, keine Frage“, zitierte der Blaue den rosaroten Panther.Das Scheitern der blau-schwarzen Regierungsverhandlungen hatte sich spätestens seit Wochenbeginn angekündigt. Die Stimmung zwischen den Verhandlungspartnern schien zuletzt vergiftet, über Medien und Soziale Netzwerke richteten sie sich Unfreundlichkeiten aus. Nachdem wegen des Konflikts um Regierungsressorts zunächst tagelang Funkstille geherrscht hatte, wurden auch die Verhandlungsinhalte zunehmend über öffentliche Kanäle bekannt. Ein letztes persönliches Treffen zwischen ÖVP-Chef Christian Stocker und FPÖ-Chef Kickl hatte am Mittwoch überhaupt nur auf Bitte Van der Bellens stattgefunden. Doch auch dieses dauerte weniger als eine Stunde und brachte keinen Durchbruch mehr. Kickl legte schließlich den Auftrag zur Regierungsbildung zurück, nachdem eine rechnerisch mögliche Koalition mit der SPÖ wegen inhaltlicher Differenzen ohnehin aussichtslos gewesen wäre.Gegenseitige Schuldzuweisungen Die Schuld am Scheitern der Verhandlungen sahen Freiheitliche und Volkspartei naturgemäß beim jeweils anderen. Kickl machte die ÖVP für das Scheitern verantwortlich, sei man dieser doch in vielen Punkten entgegengekommen. Die FPÖ habe ihre zentralen Wahlkampfpunkte in den Bereichen Sicherheit und Asyl umsetzen und deshalb das Finanz- und das Innenministerium führen wollen. „Das konnte für niemanden eine Überraschung sein.“ Die ÖVP habe dem gegenüber auf diese beiden Ressorts sowie das Wirtschafts-, Landwirtschafts- und das Außenministerium als „unverhandelbar“ bestanden, so Kickl. Selbst hier habe man Kompromisse angeboten wie etwa einen unabhängigen Fachmann für die Nachrichtendienste. Im Endeffekt seien diese Differenzen unüberbrückbar gewesen. „Ich muss schauen, dass die FPÖ nicht den Markenkern, für den sie gewählt wurde, hergibt“, meinte der FPÖ-Chef. „Das kann ich nicht machen, sonst wäre ich Alfred Gusenbauer oder Werner Faymann (Ex-SPÖ-Kanzler, Anm.).“ Das Vorgehen, zunächst die Ressorts und dann die Inhalte zu verhandeln, sei von der ÖVP gekommen, betonte Kickl. Er selbst hätte dies umgekehrt bevorzugt oder zumindest parallel verhandeln wollen - auch hier sei man den Schwarzen entgegengekommen. Persönlich wollte er Stocker nichts vorwerfen: Die Gespräche seien anständig verlaufen, es seien auch keine Fetzen geflogen. Aber es gebe offensichtlich nicht eine ÖVP, sondern mehrere. Stocker: Keine Einigung über ÖVP-Grundlinien ÖVP-Bundesparteiobmann Stocker hat Kickl wiederum vorgeworfen, nicht aus der Rolle des Oppositionspolitikers in jene eines Regierungspolitikers gewechselt zu sein. Die ÖVP habe die Verhandlungen ehrlich und konstruktiv geführt und sei in vielen Bereichen über ihren eigenen Schatten gesprungen. Im Verlauf der Verhandlungen habe man aber mit der FPÖ keine Einigung über die von der ÖVP vor Beginn der Verhandlungen festgelegten Grundlinien finden können. Es sei zudem nicht infrage gekommen, „die Sicherheit des Landes auf Spiel zu setzen“, sagte er in Bezug auf die Forderung der FPÖ nach dem Innenministerium. Es sei nun notwendig, die Gespräche zwischen den Parteien weiterzuführen, sagte Stocker in der „ZiB 2“ des ORF. „Die SPÖ wird hier notwendig sein aufgrund der Mehrheiten“, sprach er sich gegen eine Minderheitsregierung aus. Es brauche aber „eine Einbeziehung der anderen Parteien, damit das tragfähig und stabil ist“, schließlich habe man mit der SPÖ nur ein Mandat Überhang im Nationalrat.
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