Im Ukraine-Krieg sucht die EU nach Wegen, Wladimir Putin zum Verhandlungstisch zu bringen. Eine neue Idee schwebt in Brüssel über den Tisch: Gaslieferungen an Russland könnten im Gegenzug für Friedensgespräche wieder aufgenommen werden. Deutsche und ungarische Diplomaten sollen diese Option ins Spiel gebracht haben - eine Idee, die in der EU jedoch auf Widerstand stößt.
Seit Monaten bemühen sich westliche Diplomaten um eine Lösung für eine drängende Frage: Wie bringt man Wladimir Putin an den Verhandlungstisch? Die Ukraine befindet sich seit langem in der Defensive, Russland macht an der Front stetige Fortschritte und die russische Wirtschaft ist wirtschaftlich nicht so schwach, dass es einen Kriegsaustritt erwägen müsste. Nun wird in Brüssel eine erste Idee diskutiert, wie man den Kremlchef zum Reden bewegen könnte.
Deutsche und ungarische Diplomaten sollen, so berichtet die Financial Times, eine Rückkehr des russischen Gases auf den europäischen Markt ins Spiel gebracht haben - Gas gegen Frieden, verkürzt gesagt. Die „Karotte“, die Europa Putin da unter die Nase halten könnte, hätte sowohl für Russland als auch für Europa wirtschaftliche Vorteile. Russlands Energiewirtschaft finanziert etwa die Hälfte von Putins Staatseinnahmen, doch die Exporteinnahmen aus fossilen Rohstoffen sind seit 2022 fast um die Hälfte gesunken. Der staatliche Riese Gazprom hat kürzlich sogar angekündigt, 40 Prozent der Mitarbeiter zu kündigen – 2023 schrieb der Konzern sieben Milliarden Dollar Verlust, 2024 endete nicht viel besser. Das liegt zum Gutteil am fehlenden Hauptabnehmer Europa. Zwar fließt viel Gas nach China und die Türkei, ersetzt haben diese Märkte die EU aber nicht. Vor 2022 kamen 40 Prozent des europäischen Gases per Pipeline aus Russland, jetzt sind es nur mehr zehn; die einzigen Länder, die auch nach der Stilllegung der Gasleitung durch die Ukraine noch aus Russland importieren, sind die Slowakei und Ungarn. Insofern überrascht es wenig, dass Viktor Orbáns Emissäre in Brüssel mit der Gas-Idee hausieren gingen. Dass sich auch einige deutsche Diplomaten dem anschlossen, ist eher überraschend – und wohl den hohen Energiepreisen geschuldet: Deutschland hat seinen Ausstieg aus russischem Gas nämlich sehr teuer bezahlt, durch den Umstieg auf das viel kostspieligere Flüssiggas. Im Wahlkampf, in dem die strauchelnde Wirtschaft großes Thema ist, macht deshalb die deutsche Industrie massiv Druck, die Preise wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dazu kommt, dass in der Kanzlerpartei SPD nach wie vor viele die völlige Abschottung Russlands ablehnen – das ist innerparteilich nach wie vor Streitthema. In Brüssel stieß die Idee wenig überraschend nicht bei allen auf große Gegenliebe. Vor allem das Baltikum und Polen sind in puncto Russlandsanktionen Hardliner, die Financial Times zitiert gar einen osteuropäischen Diplomaten, der sich fragt, wie „dumm“ man sein könne, um diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen. Möglich wäre eine Rückkehr zum russischen Gas aber allemal, und dafür bräuchte es auch nicht den Sanktus aller Staaten. An und für sich hatte die Union bis 2027 vor, komplett aus Putins Gaslieferungen auszusteigen, dazu gibt es auch einen Beschluss – der ist aber nicht verbindlich. Ungarn versucht ohnehin immer wieder, die Bemühungen zum Komplettausstieg zu umgehen. Budapest rang der Kommission erst vor ein paar Tagen eine „Garantie zum Schutz von Gas- und Ölpipelines nach Europa“ ab, wie Außenminister Peter Szijjarto stolz verkündete – als Gegenleistung für Ungarns Ja zu den Russlandsanktionen. Ein weiterer Grund für den Vorstoß ist der Druck aus Washington. US-Präsident Donald Trump fordert seit Langem mehr Engagement der Europäer in einem Friedensprozess; allein: die Debatte darüber kommt nicht so recht in Gange. In Deutschland etwa hat SPD-Kanzler Olaf Scholz die Diskussion über eine internationale Friedenstruppe, die die ukrainische Grenze zu Russland absichern könnte, umgehend abgewürgt, wohl aus Angst vor einer Wahlschlappe im Februar. Die Gas-Rückkehr wäre – zumindest für Berlin – eine halbwegs elegante Lösung dieses Dilemmas. Trump macht aber auch beim Gassektor selbst Druck. Er hat Zölle angedroht, wenn die Europäer nicht mehr Flüssiggas aus den USA kaufen – derzeit sind hohe EU-Vertreter in Washington, auch Langzeitverträge werden dort diskutiert. Für die USA wäre das jedenfalls ein gutes Geschäft, hierzulande sind die Gaspreise nämlich drei- bis viermal so hoch wie in den Vereinigten Staaten. Europa hingegen bringt Druck aus Washington nur eines: Man steckt in der nächsten politischen Zwickmühle
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